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Ventrikuläre Tachykardien: Ablation besser als Antiarrhythmika?
- r -- Sapp JL, Wells GA, Parkash R et al. Ventricular tachycardia ablation versus escalation of antiarrhythmic drugs. N Engl J Med 2016 (14.Juli); 375: 111-21 [Link]
- Zusammengefasst von:
- Kommentiert von:
- infomed screen Jahrgang 20 (2016)
, Nummer 5
Datum der Ausgabe: Oktober 2016
Studienziele
Rezidivierende ventrikuläre Tachykardien nach einem Myokardinfarkt
sind häufig und mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Mit der
Implantation eines ICD («implantable cardioverter-defibrilator»)
und zusätzlicher medikamentöser antiarrhythmischer Therapie (meist
Amiodaron [Cordarone® u.a.]) konnte in den vergangenen Jahren die
Mortalität deutlich gesenkt werden. Allerdings erleiden die
Betroffenen trotz dieser Behandlung häufig Tachykardie-Episoden
oder sie erhalten einen Stromstoss vom ICD-Gerät, was zu einer
deutlichen Verschlechterung der Lebensqualität führt. In
randomisierten Studien konnte gezeigt werden, dass die heute in
dieser Situation oft durchgeführte katheterbasierte Ablation von
arrhythmogenem Narbengewebe zu weniger Tachykardie-Rezidiven führt,
gemäss Beobachtungsstudien könnte auch die Überlebensrate erhöht
sein. Allerdings wurde die Ablationstherapie nie mit einer
intensivierten medikamentösen Behandlung verglichen, was in der
vorliegenden Multizenterstudie nachgeholt werden sollte.
Methoden
Es wurden Personen mit einer ischämischen Kardiomyopathie
untersucht, die trotz eines implantierten ICD und zusätzlicher
medikamentöser antiarrhythmischer Behandlung weiterhin unter
ventrikulären Tachykardien litten. Die Betroffenen erhielten nach
dem Zufall entweder eine Ablationstherapie oder eine Intensivierung
der bereits bestehenden antiarrhythmischen Behandlung. Letztere
beinhaltete, dass (je nach bisheriger Therapie) Amiodaron entweder
neu begonnen, auf die Maximaldosis von 300 mg täglich aufdosiert
oder mit Mexiletin (ein Antiarrhythmikum der Klasse 1b, in der
Schweiz nicht mehr erhältlich) ergänzt wurde. Der primäre Endpunkt
umfasste die Kombination von Todesfällen, das Auftreten von
mindestens drei ventrikulären Tachykardie-Episoden innerhalb von 24
Stunden sowie die Verabreichung eines (indizierten) Stromstosses durch das ICD-Gerät.
Ergebnisse
Von insgesamt 259 untersuchten Personen wurden 132 der
Ablationsgruppe (Durchschnittsalter 67 Jahre) und 127 der Gruppe
mit intensivierter medikamentöser Therapie (70 Jahre) zugeteilt.
Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 28 Monaten wurde
der primäre Endpunkt in der Ablationsgruppe in 59% und in der
Gruppe mit intensivierter medikamentöser Therapie in 68% erreicht.
Damit war die Ablationsgruppe hinsichtlich des primären Endpunktes
knapp überlegen («Hazard Ratio», HR 0,72; 95% CI 0,53-0,98). Die
Mortalität war in beiden Gruppen vergleichbar und betrug rund 27%.
Auch hinsichtlich der beiden anderen Komponenten des kombinierten
Endpunktes konnte, wenn sie einzeln ausgewertet wurden, kein
statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen
gezeigt werden. In der Ablationsgruppe ereigneten sich zwei Fälle
von Herzperforationen und drei grössere Blutungen. In der
Antiarrhythmika-Gruppe waren unerwünschte medikamentöse Wirkungen
häufig und in drei Fällen tödlich.
Schlussfolgerungen
Bezüglich des kombinierten primären Endpunktes war die
Ablationstherapie der intensivierten medikamentösen Therapie knapp
überlegen. In beiden Gruppen war die Mortalität hoch und es traten
häufig behandlungsbedingte unerwünschte Wirkungen auf.
Zusammengefasst von Thomas Koch
Was kann ich persönlich für meinen Berufsalltag als Kardiologe an
Erkenntnissen aus dieser Arbeit gewinnen? Patienten mit einer
koronaren Herzkrankheit und Status nach Implantation eines
Kardioverter-Defibrillators, die trotz antiarrhythmischer Therapie
noch Kammertachykardie-Episoden haben, bedürfen der Beurteilung
durch einen erfahrenen Elektrophysiologen an einem «high-volume»-
Zentrum. Die männliche Form des Patienten habe ich bewusst gewählt,
denn für Patientinnen verwässert sich diese Aussage – etwa 93% der
Studienteilnehmer waren Männer. Entsprechend muss das Ergebnis der
Subgruppe «Frauen» als zufällig gewertet werden. Vielleicht die
wichtigste Erkenntnis für die allfällige Behandlung solcher
Patienten und Patientinnen in meiner Praxis wäre, mit ihnen zu
besprechen, dass es bei allem, was gemacht wird, nicht um eine
Lebensverlängerung geht, sondern vor allem um den Versuch einer
Reduktion der symptomatischen Tachykardien und/oder der inadäquaten
Schockabgaben (NNT 10-11), was jedoch bei Erfolg für die Betroffenen ein grosser Segen ist.
Werner Eugster
Standpunkte und Meinungen
- Datum des Beitrags: 13. Oktober 2016 (20:15:08)
- Verfasst von: Dr.med. Thomas Koch, Facharzt FMH für Allgemeine Innere Medizin; Eidg.dipl.Pharmazeut ETH Zürich (6403 Küssnacht )
- Fragliches Nutzen-Risiko-Verhältnis der katheterbasierten Ablation: ergänzende Überlegungen
Von 100 behandelten Patienten mittels Ablationstherapie profitierten geradezu 11 % der Patienten und dies bei schwerwiegenden Nebenwirkungen von 4 %. Die Überlegenheit der Ablationstherapie basiert statistisch auf sehr schwachem Fuss: HR=0,72; CI: 0,53-0,98; p-Wert = 0,04. Der p-Wert ist äusserst knapp, und zwar nur formal, signifikant. Das CI mit einem Oberwert von 0,98 ist extrem nahe bei 1 = keine Wirkung. Wäre die Behandlungsgruppe mit 132 Patienten mit 133 Patienten in der Vergleichsgruppe verglichen worden, hätte der Oberwert des CI den Wert 1 erreicht (und somit keine Überlegenheit mehr; n.s.): HR ± 1,96(z-Wert bei 95%iger Wahrscheinlichkeit) x (s : √n), wobei s geteilt durch √n (Patientenzahl) den S.E.Wert darstellt - (standard error of deviation). Auf diese Weise kommt man zu den benötigten 6 Patienten zusätzlich in der Vergleichsgruppe = 133 und der Unterschied wäre nicht mehr signifikant zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Schlussfolgerung: "Further more studies are needed to warrant the effectiveness and efficiency as the safety of the ablation of ventricular tachycardia."Thomas Koch
infomed-screen 20 -- No. 5
Copyright © 2021 Infomed-Verlags-AG
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Ventrikuläre Tachykardien: Ablation besser als Antiarrhythmika? (Oktober 2016)
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