Risperidon-Depot bei instabiler Schizophrenie? (Studie 2)
- -- Tihonen J, Haukka J, Taylor M et al. A nationwide cohort study of oral and depot antipsychotics after first hospitalisation for schizophrenia. Am J Psychiatry 2011 (Juni); 168: 603-9 [Link]
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- infomed screen Jahrgang 15 (2011)
, Nummer 3
Datum der Ausgabe: Juni 2011
In dieser finnischen Kohortenstudie wurden alle Personen, bei denen während einer Hospitalisation zum ersten Mal die Diagnose Schizophrenie gestellt worden war, durchschnittlich zwei Jahre nachbeobachtet. Bei Verwendung eines Depot-Neuroleptikums war das Risiko für eine Rehospitalisation dreimal geringer als mit dem gleichen Neuroleptikum in oraler Form. Allerdings wurden von 54% aller Betroffenen die Medikamente überhaupt nicht oder nur weniger als 30 Tage eingenommen. Das Risiko, die Medikation abzusetzen, war bei oralen Präparaten 59% deutlich höher. Wurde irgendeine antipsychotische Behandlung durchgeführt (oral oder Depot), ging dies mit einem klar niedrigeren Risiko für Rehospitalisationen und einer geringeren Sterblichkeit einher.
Zusammengefasst von Felix Tapernoux
Die Bedeutung einer konsequenten neuroleptischen Erhaltungsbehandlung für den Verlauf schizophrener Störungen darf heute als unbestritten gelten. Leider werden die Ergebnisse der finnischen Studie, welche dank ihres Designs die realen Bedingungen gut widerspiegelt und darum klinisch interessant ist, etwas unübersichtlich präsentiert. Auch ist die Zahl von mit Depotpräparaten Behandelten (35?) für Vergleichszwecke eher klein, was eine gewisse Ratlosigkeit hinterlässt. Klar bleibt eigentlich nur (aber immerhin!) eine deutlich höhere Rehospitalisationsrate ohne neuroleptische Erhaltungsbehandlung, wobei im Vergleich zu den anderen untersuchten Medikamenten nur Clozapin und Olanzapin oral signifikant besser abschneiden. Die randomisierte Studie aus den USA kommt mit einem prinzipiell anderen Design und deutlich höheren Fallzahlen (182 oral, 187 Depot) zu einem analogen Ergebnis: Depot-Risperidon unterscheidet sich nicht signifikant von einer oralen neuroleptischen Erhaltungsbehandlung. Ergänzend hierzu greift eine weitere, neulich erschienene Publikation1 das gerade bei jungen Ersterkrankten besonders erhebliche Compliance-Problem auf und weist darauf hin, dass auch schon kürzere Epsisoden mit nur partieller Non-Compliance das Rückfallrisiko erhöhen. Verschiedene Faktoren tragen zur Non-Compliance bei, Depot-Neuroleptika stellen wohl einen möglichen Lösungsansatz dar, welcher aber als einzige Massnahme für viele Betroffene offensichtlich nicht ausreichend ist. Kritisch bleiben bei der Depot-Anwendung u.a. die Frage der effektiv erforderlichen Dosierung, der tatsächlichen Verfügbarkeit (Resorption) oder der Kontinuität der Wirkstoffabgabe. (Dies könnte u.a. dazu beigetragen haben, dass in der amerikanischen Studie unter der Depot-Medikation häufiger unerwünschte extrapyramidale Nebenwirkungen auftraten.) Neben weiteren Untersuchungen zur effektiven Bedeutung von Depot-Präparaten müssen deshalb sicherlich auch andere, neue Interventionen zur Compliance-Förderung entwickelt und geprüft werden.
Peter Zingg
1 Subotnik KL, Nuechterlein KH, Ventura J et al. Risperidone nonadherence and return of positive symptoms in the early course of schizophrenia. Am J Psychiatry 2011 (März); 168: 286-92
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