Diskushernie: wann operieren?
- r -- Peul WC, van Houwelingen HC, van den Hout WB et al. Surgery versus prolonged conservative treatment for sciatica. N Engl J Med 2007 (31. Mai); 356: 2245-56 [Link]
- Zusammengefasst von: Stephan Reichenbach
- Kommentiert von: Stephan Reichenbach
- infomed screen Jahrgang 11 (2007)
, Nummer 5
Datum der Ausgabe: September 2007
Studienziele
Diskushernien werden, falls kein Cauda-equina-Syndrom oder schwere Lähmungserscheinungen vorliegen, primär konservativ behandelt. Erst bei persistierenden Beschwerden wird eine operative Therapie erwogen. Unklar ist, wie lange die konservative Therapie dauern soll. In dieser Studie wurde untersucht, ob die frühzeitige Operation einer längeren konservativen Therapie überlegen ist.
Methoden
283 Personen mit radiologisch bestätigter Diskushernie, entsprechender Klinik und erfolgloser, 6 bis 12 Wochen dauernder konservativer Therapie wurden nach dem Zufall eingeteilt in eine Gruppe, welche zur Operation (Mikrodiskektomie) zugewiesen wurde, oder eine Gruppe, welche die konservative Therapie weiterführte; bei Fortdauer der Beschwerden wurde der zweiten Gruppe nach 6 Monaten auch eine Operation angeboten. Primäre Endpunkte waren Behinderung im Alltag («Roland Disability Questionnaire») sowie der Beinschmerz nach einem Jahr Beobachtungszeit.
Ergebnisse
Das Durchschnittsalter betrug rund 42 Jahre, etwa 65% der Behandelten waren Männer, und die Dauer der Beschwerden vor Studieneinschluss betrug durchschnittlich knapp 10 Wochen. Von den 141 der Mikrodiskektomie zugewiesenen Personen wurden 125 (89%) tatsächlich operiert; 16 Personen wurden im durchschnittlich 2-wöchigen Intervall zwischen Randomisierung und Operation beschwerdefrei. Von den 142 Personen, welche weiterhin konservativ behandelt wurden, mussten 55 (39%) wegen Schmerzen im Verlaufe eines Jahres operiert werden. Nach einem Jahr waren in beiden Gruppen 95% der Personen beschwerdefrei, und auch bezüglich Behinderung im Alltag fand sich kein Unterschied. Allerdings zeigten sich im Verlauf eines Jahres unterschiedliche Schmerzverläufe. Im Vergleich mit der konservativen Therapie war in der Gruppe mit Operation die Behinderung bis 4 Wochen nach dem Eingriff ausgeprägter, später (besonders zwischen 8 und 12 Wochen postoperativ) waren Schmerzen und Behinderung im Alltag jedoch signifikant geringer.
Schlussfolgerungen
Nach einem Jahr bestanden bezüglich Schmerzen und Behinderung im Alltag keine Unterschiede zwischen einem frühzeitigen operativen Vorgehen und einer konservativen Behandlung mit einer späteren Operation bei Bedarf. Allerdings waren Personen mit frühzeitiger Operation schneller beschwerdefrei.
Zusammengefasst von Stephan Reichenbach
Die Frage, wie lange konservativ behandelt werden soll, bevor eine Zuweisung auf die Neurochirurgie erfolgt, muss unverändert im Gespräch zwischen betroffener Person und Ärztin oder Arzt gelöst werden. Ungeduldige werden sich in einem raschen operativen Vorgehen durch diese Studie bestätigt fühlen, die Vorsichtigen kann man beruhigen. Der Verlauf bei einer symptomatischen Diskushernie ist in der Regel gut: nach 3 Monaten stellt sich in 75% ohne Operation eine Besserung der Beschwerden ein, und laut dieser Studie ist die Chance, nach einem Jahr unabhängig vom eingeschlagenen Weg beschwerdefrei zu sein, gleich gross. Zwei Fragen bleiben: Wie gross ist der Effekt der operativen Therapie noch, wenn die peridurale Steroidtherapie in die konservative Therapie integriert wird? Und: Können wir zum vornherein die Personen charakterisieren, die nicht um eine Operation herumkommen? Diese Gruppe dürfte tatsächlich von einer frühen Operation profitieren.
Stephan Reichenbach
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